Wilder Lattich
Text & Fotos: Henrike Lühr
Wilder Lattich ist eine im Süden Europas beheimatete, ein- bis zweijährig wachsende, krautige Pflanze, die zur Familie der Korbblütler (Asteraceaeen) gehört und ursprünglich in Zentraleuropa und von Nordafrika bis nach Westasien verbreitet war.
Im Norden Deutschlands ist der Wilde Lattich nicht vertreten, gedeiht aber an Rhein, Main und Mosel, wo er im wärmeren Weinbauklima zur Gewinnung des weißen, getrockneten Milchsaftes (Lactucarium) angebaut wurde und gegen Ende des 18.Jahrhunderts u.a. als Schmerzstiller zunehmende Anwendung fand. Um 1850 schließlich schaffte Lactucarium aus Deutschland als beliebter Opiumersatz den Sprung über England in die USA, wo Lactuca virosa heute in einigen wenigen Bundesstaaten als eingeschleppt gilt.
Historisch ist "Lattich-Opium" schon im alten Rom und Griechenland eingesetzt worden. Kaiser Augustus soll der Überlieferung nach seine Genesung von schwerer Krankheit eben auf jenen Milchsaft zurückgeführt haben und stiftete der Pflanze zum Dank einen Altar.
Maud Grief schrieb 1931 in ihrem "A Modern Herbal", dass die Droge/ das Lactucarium schwachem Opium entspräche, ohne dessen Tendenz, das Verdauungssystem zu irritieren. Sie könne in geringem Ausmaß als Beruhigungs- und Narkosemittel benutzt werden, wirke gegen Ödeme, als mildes, schweiß- und harntreibendes Mittel, das ebenso Koliken abmildern könne, und auch als Husten- und Schlafmittel.
Diese Anwendungen sollten meines Erachtens nach mit medizinischer Aufmerksamkeit betrachtet werden, jeder kennt seinen Körper am besten. Lucy Jones weist in "A Working Herbal Dispensary" darauf hin, dass schon Culpeper Menschen mit Atemwegserkrankungen dringend von der Anwendung abgeraten hätte, da Giftlattich als Sedativum auch auf die Atmung einwirke, obwohl chronischer Husten gelindert werden könne…
Verantwortlich für die analgetische, krampflösende und schmerzstillende Wirkung des weißen Latex-Saftes sind das Alkaloid Lactucin und Sesquiterpen-Lactone.
Selbst der klassische Gartensalat enthält Inhaltsstoffe seines wilden Verwandten, wenn auch in weitaus geringerem Maße, und eine gute Schüssel grüner Salat am Abend fördert bekanntermaßen Schlaf und Verdauung.
Wilder Lattich stellt für die Freunde des bitteren Blattes in der kargen Winterzeit mit seiner den Temperaturen bis -28°C frost-trotzenden Rosette üppiges, kräftiges Grün zur Verfügung, das allerdings auch im Jungstadium geerntet werden sollte. Ältere Blätter werden ledrig und sind später im Jahr zu bitter. Die Mittelrippe der Blätter kann vor dem Verzehr mit einem scharfen Messer von den weichen Stacheln befreit werden.
Lactuca virosa braucht nährstoffreichen Boden, gute Lichtversorgung und bis zur Keimung gleichmäßige Feuchtigkeit, keineswegs aber Staunässe. Später können die Pflanzen auch in trockenerem Boden gedeihen und sollten ein Sonnenplätzchen bekommen.
Bei Herbstanbau/ Wildaussaat bildet Wilder Lattich im gleichen Jahr noch eine Rosette, im zweiten Jahr dann den Milchsaft führenden, rispig verzweigten Blütenstängel und dutzende, schwefelgelbe Asternblüten. Bei Anbau im Frühjahr wird erst eine Rosette gebildet, die noch im gleichen Jahr oder früh im Folgejahr schießt. Je nach Standort kann Opiumlattich eine Höhe von 1,20 bis 1,80 m erreichen.
Die reife Blüte läßt im Hochsommer Schirmchen mit glänzenden, schwarzen Samen frei, die sich aufgrund ihrer sehr guten Frosthärte bereitwillig im Garten aussäen können.
Voranzucht: Kalthaus oder draußen, Kältekeimer
Saatzeit: Herbst oder Frühjahr in Töpfe oder gleich ins Freiland
Saattiefe: Lichtkeimer, mit wenig Erde bedecken und bis zur Keimung kalt und feucht halten, aber nicht nass! Ohne Kälte und Feuchtigkeit keine oder Wenig und verzögerte Keimung!
Pflanzung: Sehr gut möglich, Pfahlwurzel aber senkrecht einsetzten und nicht abknicken
Pflanzabstand: 15-20 cm
Blütezeit: Juli bis Anfang September
Erntezeit: Frisches Grün im Winter, Milchsaft des Stängels vor der Blüte, Ernte der Blätter im Rosettenstadium im Herbst und Winter, Saatgut nach Pappusreife im Juli-Anfang September
Besondere Hinweise/Kommentar zu Pflege oder Verwendung:
- Kaltkeimer und Lichtkeimer
- keimt langsamer als klassischer Gartensalat
- spannende eigene Literaturrecherche empfohlen!
Quellen:
Grieve, Mrs M.. A Modern Herbal. The Medicinal, Culinary, Cosmetic And Economic Properties, Cultivation And Folklore Of Herbs, Grasses, Fungi, Shrubs And Trees With All Their Modern Scientific Uses; New York1992. Dorset Press; Revised Edition 1973, S 476-477
BfN-Bundesamt für Naturschutz: Schneider, Thomas; May, Rudolf. Stand: Oktober 2013. FloraWeb. www.floraweb.de/webkarten/karte.html
Jones, Lucy. 2023. A Working Herbal Dispensary. Respecting Herbs As Individuals: Aeon Books Ltd; S.368-369